Weiche Faltenwürfe, die sanfte Schatten werfen. Organische Formen, die an entfernte Landschaften erinnern. Die polnische Glaskünstlerin Marzena Krzeminska entführt uns in Welten von Wind und Schwerkraft, die uns auf besondere Weise ästhetisch anzusprechen vermögen und tief verborgene Emotionen wecken. Sie verwandelt das Medium Glas in transzendente Skulpturen, die das Phänomen Licht in faszinierend reduzierter Form wiedergeben: Opake oder nahezu transluzente Glasbahnen fallen mit einem Faltenschlag in scheinbar zwei gleich große Teile ähnlich wie Papierbahnen, die zufällig zusammengelegt wirken. Oder vielfach gefaltete und ineinander gelegte Glasbahnen fügen sich zu amorph-skulpturalen Formen.

Es ist dieser scheinbare Zufall der Formgebung, die den Glasobjekten von Krzeminska eine fast beiläufige Schönheit verleiht. Mit ihren sowohl einmaligen als auch vielfachen Faltungen erinnern diese Objekte an Haut, Papier oder feine Stoffe, die in ihrer Zartheit gleichermaßen Verletzlichkeit und Flexibilität in sich bergen. Dabei wirken sie wie eine kurze Momentaufnahme eines nie wieder herzustellenden Zustandes. All das konservierend und festhaltend, was den Moment ihrer Entstehung begleitet hat. 

Deshalb ist gerade auch der Entstehungsprozess diesen Arbeiten immanent und für die Künstlerin äußerst bedeutsam: Denn hier wird die Balance geschaffen zwischen Luft und Schwerkraft, zwischen Leichtigkeit und Schwere sowie zwischen der künstlerischen Absicht und dem offenen Experiment. So lässt Krzeminska bei aller technischer Raffinesse dem Material Glas ein gewisses Grad an buchstäblicher Entfaltungsfreiheit während des Arbeitsprozesses, der für sie selbst immer wieder eine Mischung aus neuer Erfahrung und längst vergessener Erinnerung beinhaltet.

Text: Alexandra Wendorf

Nach Abschluss Ihres Master of Arts an der Eugeniusz-Geppert-Akademie der Bildenden Künste in Wrocław war die Breslauer Künstlerin in der diplomierten Kunstglaswerkstatt unter der Leitung von Professorin Małgorzata Dajewska beschäftigt. Seit 2016 arbeitet Marzena Krzemińska-Baluch als Internationalisierungsbeauftragte an der Eugeniusz-Geppert-Akademie der Bildenden Künste in Wrocław. 2018 promovierte sie an ihrer Alma Mater zum Doctor of Arts. Derzeit Dekan der Glas- und Keramikabteilung der Eugeniusz-Geppert-Akademie der Bildenden Künste in Wrocław, Polen. Ihre Werke haben bereits diverse Preise gewonnen und befinden sich in einigen internationalen Museumssammlungen wie im Glasmuseum Lette -Alter Hof Herding, Coesfel-Lette, Deutschland; Museum Jan van der Togt, Amstelveen, Holland; M. Glick Glass Centre, Muncie, IN, USA, Rakusuitei Art Museum, Toyama, Japan; Nationalgalerie, Breslau, Polen, Europäisches Museum für Modernes Glas, Coburg, Deutschland und in Privatsammlungen im In- und Ausland

Artist Statement übersetzt aus dem Englischen:

„…Wir haben eine angeborene Fähigkeit, uns an Orte zu erinnern und sie uns vorzustellen. Wahrnehmung, Erinnerung und Vorstellung stehen in ständiger Wechselwirkung; der Bereich der Präsenz verschmilzt mit Bildern der Erinnerung und Fantasie. Wir bauen eine riesige Stadt aus Evokation und Erinnerung und all die Städte, die wir besucht haben, sind Bezirke in der Metropole unseres Geistes …“.       Juhani Pallasmaa

Ich schaue aufmerksam auf Orte, die sie umgebende Realität und in meinem Kopf zeichne ich Vignetten aus der Natur, Schnappschüsse aus der Geschichte, um die Stimmung, das Ambiente und die Formen der erblickten Landschaften widerzuspiegeln. Ich benutze Glas als Dermis, um im Prozess der Entstehung die Form zu finden. Ich experimentiere und beobachte das Verhalten von Glas während der Formgebung. Unter Einbeziehung von Luft und dem Schwerkraft entstehen Objekte, die die Feinheiten gespeicherter Orte und Ereignisse offenbaren und in ihren Details zum Reflektieren und Nachdenken anregen.