

„Das Material Glas ist eigentlich unsichtbar. Daher hat man als Künstler die Möglichkeit Räume zu schaffen, in die man hineinschaut. In diesen Räumen kann etwas entstehen, das eigentlich gar nicht da ist. Diese Besonderheit hat nur das Material Glas und das fasziniert mich.“
Ann Wolff
Ann Wolff – Die stille Kraft der Form
Ann Wolff (*1937 in Lübeck) gehört zu den bedeutendsten und einflussreichsten Künstlerinnen der europäischen Studioglas-Bewegung. Mit ihrem umfangreichen Œuvre – bestehend aus Glas-, Bronze- und Betonskulpturen sowie ausdrucksstarken Pastellzeichnungen – hat sie Maßstäbe gesetzt und Generationen von Künstlerinnen und Künstlern weltweit inspiriert.
Nach dem Studium an der renommierten Hochschule für Gestaltung in Ulm begann Wolff ihre Laufbahn als Produktdesignerin. Schon früh entwickelte sie ein feines Gespür für Form, Material und Wirkung im Raum. Doch es war das Material Glas, in dem sie in den 1970er-Jahren ein Medium fand, das ihren Themen Gestalt, Licht und Tiefe verleihen konnte. Ihre Wahl war damals visionär – Glas galt zu jener Zeit noch vorwiegend als dekoratives oder funktionales Material. Wolff jedoch erschloss es als ernstzunehmendes Medium bildhauerischer Aussagekraft und wurde damit zu einer der prägenden Stimmen der Studioglas-Bewegung.
Einen bedeutenden Abschnitt ihres Lebens verbrachte sie in Schweden, wo sie als Designerin bei Kosta Boda arbeitete und seit 1978 ihr eigenes Atelier führte. Ihr Einfluss reichte weit über Schwedens Grenzen hinaus – sie wird ein Mitglied der einflussreichen Pilchuck Glass School in Seattle/USA und führt zahlreiche Workshops in Europa, USA und Japan. Von 1993-1998 lehrte Wolff als Professorin an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg. Dort vermittelte sie neben technischem Wissen vor allem einen tiefen künstlerischen Zugang zum Material. Ann Wolff wird zur Wegbereiterin einer neuen, freien Glaskunst in Europa.
Wolffs künstlerische Arbeit ist geprägt von einer stillen, aber intensiven Auseinandersetzung mit dem Menschsein. Themen wie Identität, Erinnerung, Beziehung, Selbstwahrnehmung und gesellschaftliche Rollen ziehen sich wie ein roter Faden durch ihr Werk. Viele ihrer Skulpturen zeigen ruhende, reduzierte Figuren – oft Frauen – die in sich gekehrt erscheinen. Diese Gestalten erzählen keine Geschichten im klassischen Sinne, sondern öffnen innere Räume. Sie laden zur Reflexion ein, zur Auseinandersetzung mit dem, was unausgesprochen bleibt.
In der Wahl ihrer Materialien ist Wolff stets präzise. Glas steht für Durchlässigkeit, Licht und Zerbrechlichkeit – eine ideale Metapher für emotionale Zustände, Resonanzen und fragile Gleichgewichte. Bronze und Beton hingegen verleihen den Figuren Gewicht, Festigkeit und Erdung. In diesen Kontrasten entfaltet sich die Tiefe ihres Werks. Ihre großformatigen Pastelle erweitern den plastischen Ausdruck um eine malerische Ebene: Sie schaffen Stimmungen, öffnen Gedankenräume, führen Themen weiter – leise, eindringlich und poetisch.


Ann Wolffs Werke sind geprägt von Reduktion und Klarheit – und gerade deshalb von großer emotionaler Kraft. Ihre Kunst ist nicht laut, sie braucht kein Pathos. Sie wirkt durch Präsenz und Tiefe, durch das, was sie andeutet und offen lässt. In einer Welt voller Reize und Geschwindigkeit ist ihr Werk ein Plädoyer für das Innehalten, für das Lauschen auf Zwischentöne, für den Blick nach innen.
Bis heute lebt und führt Ann Wolff ihr Atelier in Schweden, wo sie weiterhin künstlerisch arbeitet und ihr Œuvre stetig weiterentwickelt. Ann Wolff erhielt zahlreiche internationale Preise, darunter 1977 den bedeutenden Coburger Glaspreis, 1988 den Bayerischen Staatspreis, 2005 den Jurypreis des Toledo Museum of Art, 2008 den Award of Excellence der Smithsonian Renwick Collection Washington USA, 2011 den Europäischen Kulturpreis der Stiftung PRO EUROPA. Ihre Arbeiten sind in zahlreichen internationalen Sammlungen vertreten, darunter im Victoria and Albert Museum in London, im Metropolitan Museum in New York, im National Museum of Modern Art in Tokyo, im Glasmuseum Frauenau, im Glasmuseum Hamburg und Coesfeld Lette und in vielen weiteren bedeutenden Institutionen weltweit.
Die Continuum Gallery ist stolz, Werke dieser außergewöhnlichen Künstlerin zu präsentieren. Ihr Werk steht für eine Kunst, die berührt, ohne zu erklären – die Fragen stellt, ohne zu antworten – und die in ihrer stillen Klarheit eine nachhaltige Wirkung entfaltet.

„Choosing a material to put it on place. I do not use the art. It is using me.– I let it out not thinking too much.“